Eine digitale Brieftasche, die mehr kann als Karten ersetzen
Stellen Sie sich vor, Identitätsprüfung, Login und Vertragsunterzeichnung passieren so selbstverständlich wie heute das Bezahlen per Smartphone – nur eben mit staatlich anerkannten Nachweisen. Genau dieses Bild zeichnet sich gerade für Deutschland ab: Die European Digital Identity Wallet (EUDI-Wallet) kommt nicht als ferne Vision, sondern als Projekt mit spürbarem Zug in die Praxis. Mehr als 75 Unternehmen haben sich gemeinsam mit der Politik öffentlich in einem Bitkom Memorandum zu einem schnellen Rollout bekannt – ein Signal, das man im Ökosystem digitaler Identitäten nicht überhören kann.
Bitkom-Memorandum: Wirtschaft und Staat ziehen an einem Strang
Der Digitalverband Bitkom und das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung haben zusammen mit mehr als 75 Unternehmen ein „Memorandum of Understanding zur erfolgreichen Einführung der EUDI-Wallet“ unterzeichnet. Anlass war ein Gipfel zur europäischen digitalen Souveränität in Berlin, initiiert von Deutschland und Frankreich. Der Kern des MoU: Unternehmen wollen ihre Prozesse rasch „wallet-ready“ machen, während das Ministerium Feedback aus der Wirtschaft in die Umsetzung einfließen lassen möchte.
Was ist die EUDI-Wallet – und warum ist sie „mehr als eine App“?
Laut Bitkom ist die EUDI-Wallet weit mehr als eine digitale Brieftasche. Sie soll eine gemeinsame europäische Infrastruktur für den digitalen Rechtsverkehr schaffen. Praktisch heißt das:
Offizielle Dokumente wie Personalausweis oder Führerschein können auf dem Smartphone gespeichert und geteilt werden.
Ebenso lassen sich weitere digitale Nachweise ablegen, etwa Zeugnisse, Versicherungs- oder Kaufverträge.
Damit wird die Wallet zum zentralen Zugangspunkt für verifizierte Identitäten und Nachweise – ein Fundament, auf dem digitale Services künftig aufbauen können.
82 % wollen sie nutzen – aber viele warten noch ab
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist eindeutig positiv: 82 % der Unternehmen ab 20 Beschäftigten wollen die EUDI-Wallet künftig einsetzen. Nur 2 % planen, sie nicht zu verwenden; 13 % haben sich noch nicht damit beschäftigt.
Doch zwischen Absicht und Umsetzung liegt noch Arbeit:
- 4 % der Nutzungswilligen haben bereits erste Schritte unternommen.
- Weitere 4 % wollen noch in diesem Jahr starten,
- 45 % im kommenden Jahr.
- Gleichzeitig möchten 75 % erst einmal beobachten, welche Erfahrungen andere machen.
Das ist typisch für neue Infrastrukturtechnologien: viele sehen das Potenzial, aber der Markt braucht Vorreiter, die reale Use Cases in Betrieb bringen und Vertrauen schaffen.
Für welche Unternehmens-Use-Cases die Wallet besonders relevant ist
Bitkom hat erhoben, wofür Unternehmen die EUDI-Wallet einsetzen möchten. Besonders im Fokus stehen:
- Identitätsprüfung und LoginDie häufigsten Ziele sind Identitätsprüfung von Kundinnen und Kunden (71 %) sowie ein einfaches und sicheres Login in digitale Anwendungen (63 %).
- Digitale Nachweise empfangen und ausstellen50 % wollen über die Wallet digitale Nachweise entgegennehmen, etwa zur Berufsqualifikation. 34 % möchten selbst Nachweise ausgeben, zum Beispiel Mitarbeiterausweise oder Schulungszertifikate.
- Digitale Signaturen für VerträgeFür 43 % ist die Wallet auch ein Werkzeug zum Unterzeichnen digitaler Dokumente, etwa Verträgen.
Gerade dieser letzte Punkt zeigt, wie eng Identität und rechtsgültige digitale Prozesse künftig verzahnt sein werden.
Breite Allianz: 75+ Unterzeichner aus vielen Branchen
Zu den Unterzeichnenden des Memorandums zählen Unternehmen aus Bank- und Finanzwesen, Handel, Mobilität, Cybersicherheit und Telekommunikation. Diese Vielfalt ist entscheidend: Eine Wallet-Infrastruktur entfaltet ihren Wert erst dann vollständig, wenn sie branchenübergreifend akzeptiert und genutzt wird.
Was das für den deutschen Markt bedeutet
Die Botschaft des Bitkom-Memorandums ist klar:Deutschland steht vor einer entscheidenden Phase der Wallet-Einführung. Die Bereitschaft ist hoch, das Tempo wird politisch und wirtschaftlich gestützt – aber die Breitenwirkung hängt jetzt davon ab, dass möglichst viele Dienste technisch und organisatorisch anschlussfähig werden.
Für Anbieter digitaler Identitäten, Signaturen und Vertrauensdienste ist das eine Einladung, den Übergang aktiv mitzugestalten: Wallet-fähige Identitätsprüfung, sichere Logins, qualifizierte Nachweise und digitale Signaturen werden sich nicht nebenbei entwickeln – sie brauchen robuste, interoperable Ökosysteme. Das MoU zeigt: Der Startschuss ist gefallen.
Methodik-Hinweis
Die Zahlen stammen aus einer Bitkom-Research-Umfrage unter 605 Unternehmen ab 20 Beschäftigten, telefonisch befragt im Zeitraum KW 38 bis KW 43 2025. Die Ergebnisse sind repräsentativ.







