Die Europäische Kommission verfolgt mit der Einführung der EU Digital Identity Wallet (EUDI Wallet) ein ambitioniertes Ziel: Jede EU-Bürgerin und jeder EU-Bürger sollen künftig über eine sichere, grenzüberschreitend nutzbare digitale Brieftasche verfügen, mit der sich Identität nachgewiesen, Dokumente geteilt und rechtswirksame digitale Signaturen geleistet werden können. Die Initiative schafft damit die Grundlage für ein europaweit interoperables Ökosystem für digitale Identitäten – und rückt dabei zwei zentrale Akteure ins Blickfeld: Aussteller (Issuers) und diensteanbietende Stellen (Relying Parties).
Digitale Nachweise für die EUDI Wallet: Rolle und Chancen für Aussteller
Im EUDI Wallet-Ökosystem spielen Aussteller eine Schlüsselrolle. Sie sind die Organisationen, die qualifizierte, überprüfbare digitale Nachweise bereitstellen – etwa über Identitätsmerkmale, Berechtigungen oder Qualifikationen. Diese digitalen Nachweise (z. B. Diplome, Führerscheine, Steuerbescheinigungen) werden strukturiert und kryptografisch gesichert an die Wallet der Nutzerinnen und Nutzer übermittelt.
Typische Aussteller sind:
- Behörden, die etwa Wohnsitznachweise oder Reisedokumente ausstellen,
- Bildungseinrichtungen, die akademische Abschlüsse digital zertifizieren,
- Banken, die Steuerinformationen oder Kontobescheinigungen bereitstellen,
- Gesundheitsdienste, die digitale Rezepte oder Impfnachweise ausgeben,
- Mobilitätsanbieter, die Fahrausweise oder Nutzungsrechte als digitale Token zur Verfügung stellen.
Die Wallet schafft damit eine standardisierte, interoperable Infrastruktur, in der Aussteller ihre Rolle neu definieren können: als digitale Identitätsverleiher in einem vernetzten Europa.
Wer sind die Relying Parties – und warum sind sie wichtig?
Während Aussteller Informationen bereitstellen, benötigen andere Akteure – sogenannte Relying Parties – diese Informationen, um ihre Dienste sicher und effizient anbieten zu können. Eine Relying Party ist jede Organisation, die digitale Identitätsnachweise oder Berechtigungen eines Nutzers verifizieren und für einen bestimmten Zweck verwerten möchte – zum Beispiel im Rahmen einer Zugangskontrolle, Vertragsunterzeichnung oder Kontoeröffnung.
Beispiele für Relying Parties:
- Versicherungen, die Altersnachweise oder Wohnsitzdaten prüfen,
- Unternehmen, die bei Bewerbungsverfahren Qualifikationsnachweise verifizieren,
- Telekommunikationsanbieter, die Identitätsdaten zur SIM-Karten-Registrierung nutzen,
- Online-Plattformen, die Altersverifikation oder Identitätsprüfung benötigen.
Damit eine Relying Party digitale Nachweise aus der Wallet akzeptieren kann, muss sie diese technisch verarbeiten, semantisch interpretieren und – wenn nötig – validieren. Dies stellt neue Anforderungen an Vertrauensmodelle, technische Schnittstellen und Compliance-Richtlinien.
Technologische Anforderungen und regulatorischer Rahmen
Die technologische Grundlage des Wallet-Ökosystems basiert auf Verifiable Credentials (VC), Decentralized Identifiers (DID) und qualifizierten Vertrauensdiensten gemäß der überarbeiteten eIDAS-Verordnung (eIDAS 2.0).
Die Nachweise müssen dabei:
- maschinell überprüfbar (d. h. kryptografisch signiert und validierbar),
- interoperabel (zwischen verschiedenen Wallets und Ländern nutzbar),
- datensparsam (Selective Disclosure, Zero-Knowledge Proofs),
- und rechtskonform sein (bei Bedarf mit qualifizierten elektronischen Signaturen oder Siegeln).
Die Aussteller stehen vor der Aufgabe, bestehende Datenquellen und Geschäftsprozesse mit dieser neuen Architektur zu verbinden – eine Herausforderung, die sowohl technologische als auch organisatorische Anpassungen verlangt.
Unterstützung für Aussteller und Diensteanbieter
Die EU bietet eine wachsende Zahl an Ressourcen und Rahmenwerken für Aussteller, u. a. mit dem EUDI Wallet Issuer Toolkit, das Anforderungen, APIs, Datenmodelle und Interoperabilitätsrichtlinien beschreibt.
Parallel dazu entwickeln Unternehmen und Vertrauensdiensteanbieter Lösungen, die eine technisch wie rechtlich abgesicherte Integration in das Wallet-Ökosystem ermöglichen – sei es als Aussteller, Relying Party oder Wallet-Provider.
Ein Beispiel ist die Namirial Wallet Platform, die Organisationen dabei unterstützt, digitale Nachweise strukturiert zu erzeugen, mit qualifizierten Siegeln zu versehen und Nutzenden datenschutzkonform bereitzustellen. Darüber hinaus bietet die Plattform auch Komponenten für die Prüfung und Validierung von Nachweisen – also Funktionen, wie sie Relying Parties benötigen, um empfangene Credentials sicher zu nutzen.
Blick in die Praxis: EU-Pilotprojekte und reale Anwendungsfälle
Im Rahmen der von der EU geförderten Large Scale Pilots (LSPs) werden aktuell verschiedenste reale Szenarien erprobt, etwa:
- Reisen mit digitaler Identität: Nutzung digitaler Reisedokumente für schnelleres Boarding,
- Bankdienstleistungen: Kontoeröffnung mittels verifizierter Identitätsnachweise,
- E-Rezept: Ausstellung und Einlösung digitaler Rezepte über die Wallet,
- Digitale Bildung: Zugang zu digitalen Diplomnachweisen bei Bewerbungen,
- Behördengänge online: Nutzung von digitalen Meldebescheinigungen.
Diese Anwendungsfälle zeigen deutlich, wie Aussteller und Relying Parties gemeinsam den Erfolg der EUDI Wallet sichern – durch vertrauenswürdige Ausstellung und effektive Nutzung digitaler Nachweise.
Fazit: Die EUDI Wallet als Meilenstein der digitalen Transformation
Die EU Digital Identity Wallet ist weit mehr als ein neuer Identitätsausweis – sie ist das Herzstück einer europäischen Infrastruktur für vertrauensvolle digitale Interaktionen. Aussteller und Relying Parties bilden die tragenden Säulen dieses Systems. Sie sorgen dafür, dass Daten und Nachweise nicht nur digital, sondern auch rechtsgültig, überprüfbar und nutzbar werden.
Für Organisationen, die sich auf diesen Wandel vorbereiten möchten, ist es entscheidend, sich frühzeitig mit den technischen, rechtlichen und organisatorischen Anforderungen vertraut zu machen. Die EU stellt dafür ein breites Spektrum an Ressourcen bereit – und vertrauenswürdige Partner unterstützen bei der konkreten Umsetzung.