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Einfachere Antragstellung für Elternzeit und Pflegezeiten: Eine notwendige Erleichterung? 

Lesezeit: 3 Protokoll

Inhaltsindex

Ab dem 1. Mai 2025 wird eine entscheidende Änderung im deutschen Arbeitsrecht in Kraft treten, die vor allem für berufstätige Eltern und pflegende Angehörige von Bedeutung ist. Mit der Einführung neuer Regelungen im Rahmen des vierten Bürokratieentlastungsgesetzes 2024 wird es möglich, Elternzeit, Teilzeit während der Elternzeit sowie Pflegezeit und Familienpflegezeit künftig in Textform zu beantragen – ohne die Notwendigkeit einer schriftlichen Einreichung mit entsprechenden Nachweisen. Doch diese Vereinfachung könnte nicht nur Vorteile mit sich bringen: Es stellt sich die Frage, ob sie wirklich zu einer Reduzierung von Bürokratie führt oder nicht vielmehr die Nachvollziehbarkeit und Rechtswirksamkeit der Antragsstellung gefährdet. 

Was ändert sich? 

Bislang war es erforderlich, Anträge auf Elternzeit oder Pflegezeiten schriftlich einzureichen und mit entsprechenden Nachweisen zu versehen. Der Antragsteller musste die Formulare handschriftlich ausfüllen oder auf elektronischem Weg übermitteln, jedoch stets mit einer klar nachvollziehbaren Unterschrift und Nachweispflicht. Künftig wird der gesamte Prozess deutlich vereinfacht: Ab Mai 2025 können Mitarbeitende ihre Anträge auf Elternzeit, Teilzeit während der Elternzeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit einfach und bequem in Textform übermitteln. 

Diese Neuerung soll den administrativen Aufwand verringern und die bürokratischen Hürden für Mitarbeitende und Arbeitgeber reduzieren. Doch während die digitale Kommunikation unbestreitbare Vorteile hat – insbesondere in Zeiten von Homeoffice und Remote-Arbeit – stellt sich die Frage, ob dies nicht auch Nachteile mit sich bringen könnte, insbesondere wenn es um die rechtliche Absicherung geht. 

Die Kehrseite der Medaille: Nachvollziehbarkeit und Missbrauchspotential 

Einer der größten Kritikpunkte an der Vereinfachung durch die Textform ist die mögliche Reduzierung der Nachvollziehbarkeit. Bisher mussten Anträge, die etwa auf Elternzeit oder Pflegezeit abzielten, schriftlich eingereicht und von der antragstellenden Person unterschrieben werden. Die Unterschrift gewährte eine gewisse Rechtssicherheit und war ein klarer Nachweis dafür, dass der Antrag vom Mitarbeitenden bewusst gestellt wurde. 

Mit der neuen Regelung zur Textform könnte es jedoch schwieriger werden, die Authentizität von Anträgen eindeutig zu bestätigen. Emails und andere digitale Formen der Kommunikation lassen sich leichter manipulieren oder verfälschen als physische Unterschriften, was möglicherweise zu rechtlichen Problemen führen könnte – vor allem dann, wenn Anträge später angefochten werden. In einem solchen Fall könnte es für Arbeitgeber:innen und Mitarbeitende deutlich schwieriger werden, den Ursprung und die Gültigkeit der Antragstellung zu belegen. 

Der Vorschlag: Nutzung der fortgeschrittenen elektronischen Signatur 

Ein möglicher Kompromiss könnte die Einführung der fortgeschrittenen elektronischen Signatur (FES) sein, die in vielen digitalen Prozessen bereits genutzt wird. Die FES bietet den Vorteil, dass sie sowohl die Authentizität als auch die Integrität eines Dokuments sichert und vor Manipulation schützt. Diese Technologie könnte als digitale Unterschrift in den neuen Antragsprozessen etabliert werden, um die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, ohne dass der gesamte Prozess in die alte, formale Schriftform zurückkehren muss. 

Arbeitgeber:innen könnten ihren Mitarbeitenden empfehlen, bei der Antragstellung auf Elternzeit oder Pflegezeiten auf eine elektronische Signatur zurückzugreifen, um sicherzustellen, dass die eingereichten Anträge sowohl rechtlich bindend als auch nachvollziehbar sind. Dies könnte nicht nur das Vertrauen zwischen Arbeitgeber:innen und Mitarbeitenden stärken, sondern auch sicherstellen, dass die neue Regelung zur Textform in einer Art und Weise angewendet wird, die sowohl bürokratisch vereinfacht als auch rechtlich abgesichert ist. 

Was müssen Arbeitgeber:innen beachten? 

Arbeitgeber:innen haben weiterhin die Möglichkeit, Anträge auf Elternzeit oder Pflegezeit in Textform abzulehnen. Dies kann jedoch zu Herausforderungen führen, da die Nachvollziehbarkeit der abgelehnten Anträge ebenfalls leiden könnte. Wenn ein Antrag nicht ordnungsgemäß in der erforderlichen Form eingereicht wird oder gar nicht nachvollziehbar ist, könnte dies zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Arbeitgeber:innen sollten sich also gut überlegen, wie sie mit Anträgen in Textform umgehen – möglicherweise unter der Berücksichtigung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur, um die Beweiskraft der Anträge zu sichern. 

Wer hat Anspruch auf Elternzeit? 

Elternzeit können Mitarbeitende gemäß den Regelungen des § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) beantragen. Väter und Mütter haben grundsätzlich Anspruch auf Elternzeit, aber auch in Ausnahmefällen, etwa wenn ein Elternteil minderjährig ist, können auch Großeltern Elternzeit beantragen. Diese Regelung wird auch mit der neuen Textform beibehalten, sodass alle berechtigten Personen weiterhin einen unkomplizierten Zugang zur Elternzeit haben. 

Der Antrag auf Elternzeit muss in der Regel mindestens sieben Wochen vor dem geplanten Beginn bei der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber eingereicht werden. In diesen sieben Wochen sollten auch die Modalitäten der Elternzeit, wie etwa die gewünschte Dauer und der Beginn, präzise angegeben werden. 

Pflegezeit und Familienpflegezeit 

Neben der Elternzeit umfasst die Reform auch Regelungen für Pflegezeit und Familienpflegezeit. Diese Ansprüche stehen Mitarbeitenden zu, die zur Pflege von nahen Angehörigen, wie Eltern oder Großeltern, freigestellt werden müssen. Auch für diese Formen der Auszeit ist künftig eine Antragstellung in Textform möglich. 

Fazit 

Die neue Regelung zur Textform für Anträge auf Elternzeit und Pflegezeiten bringt auf den ersten Blick eine willkommene Erleichterung für Mitarbeitende und Arbeitgeber. Doch es besteht die Gefahr, dass die vereinfachte Antragstellung auf Kosten der Nachvollziehbarkeit und Beweiskraft geht, was im Falle eines Rechtsstreits zu erheblichen Nachteilen und potenziell hohen Kosten führt. Um diese potenziellen Risiken zu minimieren, sollte in Erwägung gezogen werden, dass Mitarbeitende und Arbeitgeber:innen auf fortgeschrittene elektronische Signaturen zurückgreifen, um die Gültigkeit und Authentizität der Anträge zu gewährleisten. Nur so kann ein echter bürokratischer Fortschritt erzielt werden, der gleichzeitig die rechtlichen Interessen aller Beteiligten schützt. 

Die neuen Regelungen bieten einen ersten Schritt in die digitale Zukunft – aber sie sollten nicht zu Lasten der rechtlichen Klarheit gehen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Änderungen in der Praxis tatsächlich die erhoffte Entlastung bringen oder zu neuen Herausforderungen führen werden. 

Mit diesen Änderungen wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter gestärkt, aber auch neue Herausforderungen in der rechtlichen Absicherung der Anträge geschaffen. 

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