Close

Die European Business Wallet: Ein neuer Meilenstein für digitale Unternehmensidentitäten in Europa 

Die European Business Wallet (EUBW) ist eine geplante digitale Brieftasche für Unternehmen, Behörden und andere juristische Personen.
Lesezeit: 3 Minuten
Inhaltsindex

Einleitung

Die digitale Identität Europas nimmt Form an – mit einem ehrgeizigen Ziel: einheitliche, vertrauenswürdige und grenzüberschreitend einsetzbare digitale Identitäten für Bürger:innen und Unternehmen. Während mit der European Digital Identity Wallet (EUDIW) ein digitales Identitätsinstrument für natürliche Personen bereits vorgesehen ist, richtet sich der Blick nun auf die European Business Wallet (EUBW) – ein eigenes Konzept für die digitale Identität juristischer Personen

Als qualifizierter Vertrauensdiensteanbieter begrüßt Namirial diese Initiative ausdrücklich. In diesem Artikel erläutern wir, was die EUBW ist, welche Anforderungen sie erfüllen muss – und welche Position Namirial in diesem Entwicklungsprozess einnimmt. 

Was ist die European Business Wallet? 

Die European Business Wallet (EUBW) ist eine geplante digitale Brieftasche für Unternehmen, Behörden und andere juristische Personen. Sie soll es ermöglichen, in der digitalen Welt ebenso rechtswirksam, sicher und nachvollziehbar zu agieren wie im physischen Geschäftsverkehr. 

Konkret soll die EUBW es Unternehmen ermöglichen: 

  • sich digital gegenüber Behörden und Geschäftspartnern auszuweisen
  • vertretungsbezogene Rollen digital darzustellen (z. B. Geschäftsführer, Prokurist), 
  • rechtsverbindliche Attribute und Nachweise zu teilen (z. B. Lizenzen, Registerauszüge, Mandate), 
  • qualifizierte elektronische Signaturen und Siegel zu nutzen, 
  • und amtliche Mitteilungen EU-weit rechtsgültig zu empfangen. 

Ziel ist ein vollständig digitalisierter, interoperabler Geschäftsverkehr über Ländergrenzen hinweg – auf Basis eines gemeinsamen europäischen Standards. 

Warum braucht es eine eigene Wallet für Unternehmen? 

Digitale Identitätssysteme wie SPID in Italien oder eID in Deutschland sind bisher auf Bürgerinnen und Bürger ausgelegt – Unternehmen wurden oft nur als nachgelagerte Ergänzung behandelt. Dabei gilt in allen Mitgliedstaaten das gleiche Prinzip: Juristische Personen handeln nur durch natürliche Personen mit entsprechender Vertretungsmacht. Diese Konstellation muss digital korrekt und überprüfbar abgebildet werden. 

Die EUBW will genau hier ansetzen – mit einem auf Unternehmen zugeschnittenen Modell, das rechtliche Repräsentation, Rollenklarheit, Attributnachweise und Nachvollziehbarkeit abbildet. Sie soll ein integraler Bestandteil der Digitalen Identitätsstrategie der EU (eIDAS 2.0) werden – allerdings mit einer klar eigenständigen Rolle neben der EUDIW. 

Namirials Perspektive: Was ist für eine erfolgreiche Umsetzung wichtig? 

Namirial ist als europäischer QTSP tief in der digitalen Vertrauensinfrastruktur verankert – mit jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich elektronischer Signaturen, Siegel, Zustelldienste und Attributsbescheinigungen. Auf dieser Grundlage hat Namirial im Juni 2025 ein Positionspapier zur EUBW veröffentlicht und an die Europäische Kommission übermittelt. Hier die zentralen Punkte: 

1. Eigene Identitätslogik für Unternehmen – keine Erweiterung der EUDIW 

Die EUBW darf kein Anhängsel der Bürgerwallet sein. Unternehmen benötigen eine eigene digitale Identität, bei der immer klar erkennbar ist, wer für wen handelt – also welche natürliche Person für welche juristische Person auftritt, mit welcher Rolle und welchem Mandat. Das SPID-System in Italien zeigt: Nur Identitäten, die diese Repräsentationslogik abbilden (SPID Typ 4), sind in der Praxis erfolgreich. 

2. Marktbasierte Umsetzung statt staatlicher Einheitslösung 

Im Unterschied zur EUDIW, die Bürgerinnen und Bürger kostenfrei zur Verfügung gestellt werden soll, ist die EUBW ein professionelles Geschäftswerkzeug. Daher muss sie: 

  • nicht kostenlos, sondern wirtschaftlich tragfähig ausgestaltet sein, 
  • nicht exklusiv von Staaten, sondern von privaten Akteuren wie QTSPs betrieben werden können. 

Diese Öffnung stärkt Innovation, Wettbewerb und ermöglicht flexible, nutzerorientierte Lösungen. 

3. Sicher, aber praktikabel: Level of Assurance „Substantial“ genügt 

Für die meisten Geschäftsprozesse ist ein substanzielles Vertrauensniveau (LoA „Substantial“) völlig ausreichend – und deutlich nutzerfreundlicher als LoA „High“. Namirial warnt davor, überhöhte Anforderungen zu stellen, die gerade KMU von der Nutzung abhalten würden. 

4. Integration statt Redundanz: Bestehende eIDAS-Dienste nutzen 

Viele der angestrebten Funktionen der EUBW lassen sich bereits mit bestehenden eIDAS-konformen Diensten realisieren – etwa: 

  • QERDS für amtliche elektronische Zustellungen, 
  • QES und Siegel für rechtskonforme Unterschriften, 
  • QEAA für Attributsbescheinigungen (z. B. Prokura, Handelsregistereinträge). 

Diese Dienste sollten nicht ersetzt, sondern nahtlos integriert werden. 

5. Authentische Quellen und strukturierte Attribute sind entscheidend 

Ein zentrales Element der EUBW werden verifizierbare Attribute sein. Diese müssen: 

  • rechtlich belastbar (z. B. Prokura, Firmenbuchauszüge), 
  • technisch standardisiert (strukturierte Daten), 
  • und aktuell und überprüfbar (Anbindung an öffentliche Register) sein. 

Namirial fordert deshalb eine verpflichtende Integration authentischer Quellen wie Handelsregister in die EUBW-Architektur – über sichere Schnittstellen und standardisierte Protokolle. 

Was bedeutet das für Unternehmen in Europa? 

Die EUBW kann zum zentralen Enabler für digitale Geschäftsprozesse in der EU werden. Sie wird: 

  • grenzüberschreitende Verträge und Interaktionen beschleunigen, 
  • Medienbrüche in Genehmigungs- und Meldeverfahren beseitigen, 
  • und eine neue Grundlage für automatisierte, vertrauenswürdige B2B-Transaktionen schaffen. 

Das betrifft alle Branchen – von der Finanzwirtschaft über Industrie, Energie, Handel bis hin zu Beratern und Behörden. 

Fazit: Die EUBW braucht klare Rollen – und starke private Partner 

Namirial setzt sich dafür ein, dass die EUBW auf einem offenen, marktorientierten und interoperablen Ökosystem basiert. Der Aufbau darf nicht zentralistisch und staatlich dominiert sein, sondern muss private Expertise, insbesondere die von QTSPs, integrieren. Nur so entsteht ein funktionierender, belastbarer und skalierbarer europäischer Rahmen für Unternehmensidentitäten. 

Wir sehen die EUBW als eine Schlüsselkomponente der Digitalstrategie Europas – und freuen uns darauf, diesen Wandel aktiv mitzugestalten. 

Stichworte